Was gute Nachhilfe ausmacht - und wie ihr den richtigen Nachhilfeunterricht findet.
Studienkreis, Schülerhilfe, Studiertreff – oder vielleicht doch ein Privatdozent von Ebay Kleinanzeigen? Die große Anzahl an Nachhilfeangeboten macht es dem einen oder anderen schwer, sich für ein Angebot zu entscheiden. Jedes bringt dabei seine eigenen Vor- aber auch Nachteile mit sich. Wie also soll man entscheiden, welches Nachhilfeangebot das Geeignetste ist? Dieser Artikel soll als ein kleiner Überblick dienen, der einem die Entscheidungsfindung ein wenig erleichtern soll. Unter der Betrachtung einiger bildungswissenschaftlicher Aspekte möchten ich euch einen kleinen Überblick darüber geben, was gute Nachhilfe sein kann und was zu beachten ist.
*Zugunsten einer besseren Lesbarkeit wurde das generische Maskulinum verwendet. “Fachlichere Inhalte” sind grau hinterlegt und können bei Interesse gelesen werden, ein Auslassen dieser Passagen stört das Textverständnis aber nicht.
Eine Sache vorab: Nachhilfeunterricht kann nicht den normalen Schulunterricht ersetzen! Regelmäßiger Schul- und Fachunterricht ist und bleibt die wichtigste Grundlage für einen konstanten Wissenszuwachs. Schulen besitzen eine sehr gute Bildungsinfrastruktur, was die Vermittlung neuer Fachinhalte und Methoden wesentlich erleichtert. Lehrkräfte sind professionell ausgebildete Pädagogen, die umfangreiche theoretische Kenntnisse und zumeist auch viel praktische Erfahrung im Umgang mit Schulklassen besitzen.
Schulexterne Bildungsangebote finden erst durch die Arbeit der Schule einen fruchtbaren Nährboden. So wäre der Besuch einer impressionistischen Kunstgalerie ohne die nötigen Vorkenntnisse aus dem Kunstunterricht nur halb so interessant. Dennoch gilt: Fachunterricht kann nicht immer jedem Lernenden in gleichem Maße gerecht werden. Dies liegt in den seltensten Fällen an den Fähigkeiten der Lehrperson – Oftmals beeinflussen viele weitere Faktoren, schulisch wie außerschulisch, unseren Bildungsweg.
Einer guten Nachhilfelehrkraft ist dieser Umstand bewusst. Sie sollte die Methoden einer Lehrkraft nur dann infrage stellen, wenn sich grobe Fehler in der fachlichen Strukturierung eines Inhaltes zweifelsfrei herausstellen lassen. Jede Lehrkraft – auch innerhalb eines Faches- besitzt ihre eigenen Methoden, um Fachinhalte zu vermitteln. Eine beschreibende, vor allem aber eine wertende Ferndiagnose über die Arbeit eines Pädagogen zu stellen ist und wirkt deshalb unseriös. Es ist deshalb sehr wichtig, dass Nachhilfelehrkräfte die genutzten Methoden respektieren und mit ihnen, anstatt gegen sie arbeiten.
Jeder lernt unterschiedlich schnell
Der Respekt sollte gleichermaßen dem Leistungsniveau des Lernenden entgegengebracht werden. Unter diesem Begriff versteht man die Fähigkeit, einen neu gelernten Inhalt zu verstehen und diesen anzuwenden. Innerhalb einer Klasse besitzen alle Schüler unterschiedliche Leistungsniveaus, die abhängig vom jeweiligen Fach, aber auch anderen Faktoren sind.
Die Unterschiede innerhalb einer Lerngruppe sorgen für eine Vielfalt von Leistungsniveaus; Bildungswissenschaftlich spricht man hier von einer „Leistungsheterogenität“. Ausgehend davon, dass es innerhalb einer Lerngruppe immer Schüler geben wird, die sich an den jeweiligen Enden wiederfinden (leistungsstark vs. leistungsschwach), kann eine Einschätzung des Grades der Leistungsheterogenität vorgenommen werden. Diese Grade können grundsätzlich zwischen zwei Extremen variieren:
1. Alle Lernenden haben in etwa das gleiche Leistungsniveau; Man spricht hier auch von einer „Leistungshomogenität“.
2. Die Unterschiede zwischen den leistungsstärksten und leistungsschwächsten Schülern sind sehr groß, nur wenige besitzen in etwa das gleiche Leistungsniveau.
Zu einem gewissen Maße ist eine Leistungsheterogenität in einer Klasse nicht nur unvermeidbar, sondern auch gewünscht. Dies mag paradox klingen – aber dadurch können sowohl Lehrer als auch Schüler Stärken sowie Schwächen erkennen und fördern, gemäß dem Motto „Du wirst nie alles gleich gut, aber dafür einige wenige Dinge sehr gut können“.
Die Steuerung des richtigen Grades an Leistungsheterogenität ist ein Balanceakt, für welchen Lehrpersonen viel Wissen und Erfahrung benötigen. Sie versuchen dies, indem sie den Schulunterricht im Tempo anpassen und Schüler durch die Einbindung von Übungsaufgaben mit verschiedenen Leistungsniveaus unterschiedlich fördern und fordern. Getrieben davon, den Lehrplan durchzusetzen, ist eine solche „einfache“ Differenzierung für den Lehrer aber nicht immer in der Praxis möglich – geschweige denn die Beachtung jedes einzelnen Leistungsniveaus. Als Ergebnis kann es dann passieren, dass leistungsstarke Schüler mit den Aufgaben unter- und/oder leistungsschwache überfordert werden.
Da eine Nachhilfelehrkraft in der Regel kleine Lerngruppen betreut, kann sie sich mehr Zeit für die Beurteilung des Leistungsniveaus eines Lernenden nehmen als der Lehrer. Dies erleichtert es ihr folglich, Lernaufgaben herauszusuchen oder zu entwickeln, welche dem Leistungsniveau des Lernenden entsprechen. Leistungsschwächeren Schülern wird es somit ermöglicht, zum durchschnittlichen Leistungsniveau der Klasse wieder aufzuschließen und dem weiteren Unterrichtsgang zu folgen.
Woran orientiere ich meine Leistungen?
Leistungsniveaus können anhand von Resultaten gemessen werden. Dabei ist wichtig, dass ein solches Resultat nie für sich alleinsteht, sondern anhand von anderen Resultaten verglichen werden muss. Unbewusst macht das jede Person: War ich heute effizienter als gestern? Was haben meine Kollegen in derselben Zeit geleistet? Gibt es Qualitätsstandards, die ich einhalten muss? Dies sind Fragen, die sich jeder schon einmal gestellt hat.
Grundlegend orientieren sich diese Vergleiche immer daran, ob man seine Leistungen mit anderen, sich selbst oder vorher festgelegten Kriterien vergleicht. In der Lernpsychologie wird dabei von der sozialen, individuellen oder sachlichen Bezugsnorm gesprochen. Die Orientierung an einer dieser Bezugsnormen bringt dabei seine eigenen Vor- und Nachteile mit sich.
Auch, vielleicht sogar besonders in der Schule, sind diese Arten von Bezugsnormen allgegenwärtig. Die Benotung von Arbeiten ist das klassische Beispiel für eine sachliche Bezugsnorm. Wichtig ist hierbei, dass Menschen sich aber nicht nur an einer, sondern an mehreren Bezugsnormen gleichzeitig orientieren können. Sätze wie „Die ganze Klasse war in dem Test gut“ oder „Die anderen hatten auch eine 4“ sind Beispiele dafür, dass Lernende ihre Ergebnisse auch in der Orientierung zur sozialen Bezugsnorm betrachten – was sich durchaus negativ auf die Langzeitmotivation in dem jeweiligen Fach auswirken kann, wenn man sich selbst an dem einen oder anderen Ende des Leistungsniveaus wiedererkennt.
Die Arbeit an der sachlichen Bezugsnormorientierung, d.h. die Verbesserung der Schulnoten, ist (verständlicherweise) oftmals das zentrale Ziel von Nachhilfeinstituten. Wichtiger sollte es aber sein, den Orientierungsschwerpunkt auf den Ausbau der individuellen Bezugsnorm, d.h. die Verbesserung der Schülerleistungen als solches, zu richten – nur bei dieser konzentriert sich der Schüler auf seine eigene Entwicklung, was der Langzeitmotivation zugutekommen kann. Damit dies klappt, sollte die Nachhilfelehrkraft gemeinsam mit dem Schüler Leistungen in regelmäßigen Zeitabständen evaluieren und Lernerfolge sowie -Misserfolge sichtbar machen.
Die richtige Einstellung zu (Miss-)Erfolgen ist wichtig
Wie ein Lernender seinen eigenen (Miss-)Erfolg im Lernprozess bewertet, ist stark davon abhängig, welche Motive er verfolgt. Grundlegend kann gesagt werden, dass ein Schüler entweder versucht, Lernerfolge zu erreichen, oder aber Misserfolge zu vermeiden. Diese Grundeinstellungen nehmen einen maßgeblichen Einfluss darauf, wie (Miss-)Erfolge bewertet werden. „Lag es an mir oder an etwas anderem?“, „Habe ich immer solche Leistungen oder schwanken meine Ergebnisse?“ – Auch diese Fragen stellt sich jeder von uns unterbewusst in bestimmten Situationen.
In der Lernpsychologie spricht man hier von den sogenannten „Lernerfolgsattribuierungen“. Im Grunde können Lernergebnisse so bewertet werden, dass ihre Ursachen im eigenen Können liegen (internal) oder andere Umstände dies begünstigt haben bzw. „Schuld sind“ (external). Gleichsam wird hinterfragt, inwiefern Lernergebnisse immer ähnlich (stabil) oder unterschiedlich (variabel) sind. Diese Attribuierungen können zwischen einzelnen Leistungserhebungen schwanken. Als Faustregeln gelten:
1. Erfolgsorientierte Menschen bewerten Erfolge internal und Misserfolge external.
2. Misserfolgsvermeidende Menschen bewerten Erfolge external und Misserfolge internal.
Die Erfolgsmotive, aber auch die (Miss-)Erfolgsbewertungen von Schülern können durch das Handeln einer Lehrperson unterschiedlich ausgeprägt werden. Verschiedene Handlungsmaßnahmen können über einen gewissen Zeitraum den Lernenden zur Erreichung von Erfolgen motivieren, aber auch die „Angst vor Misserfolgen“ schüren.
Die Steuerung erfolgt hierbei zentral über die Kommunikation von Lernergebnissen. Lehrpersonen sind dazu angehalten, dass Schüler erfolgsorientiert in ihrem Fach lernen sollen. Die vollständige Vermeidung von konstruktiver Kritik ist dabei aber genauso wenig der richtige Weg wie permanentes Loben. Ein Schüler, der z.B. für jede Leistung gelobt wird, kann seine Lernerfolge dann auch external bewerten, da er seine Bindung zur Lehrkraft als Grund dafür anerkennt („Der Lehrer mag mich eh“).
Schüler, die eine Nachhilfeeinrichtung besuchen bzw. besuchen wollen, verfolgen oftmals das Motiv der Misserfolgsvermeidung, wodurch sie eigene Erfolge durch äußere Umstände erklären. Gleichsam werden Misserfolge auf persönlichen Fähigkeiten, die nicht erlernbar sind, zurückgeführt. Das Ziel eines guten Nachhilfeunterrichts kann es sein, Lernenden Erfolgszuversicht zu verleihen, indem Lernerfolge in einem anständigen Maße durch Lob der eigenen Fähigkeiten bestätigt werden. Gleichzeitig werden Misserfolge in einem gemeinsamen Gespräch bewertet und festgestellt, ob äußere Faktoren dies bedingt haben könnten.
Lern- und Unterrichtsräume - Mal anders gedacht
Als Bestandteil des Unterrichts nimmt die Lernumgebung einen maßgeblichen Einfluss auf dessen Qualität. Lernende, aber auch Lehrende, profitieren von einem Unterrichtsraum, der proaktiv den Unterrichtsgang unterstützt. Sämtliche Aspekte der räumlichen Gestaltung können hier eine Rolle spielen: Farben, Licht, Anordnung der Sitzbänke, Stühle, Ausstattung mit Unterrichtsmaterial etc.
In schulischen Einrichtungen ist die Raumaufteilung meistens funktional. Sitzbänke und Stühle sind in der Regel so angeordnet, dass möglichst viele Schüler Platz nehmen können. Die Gestaltung von Unterrichtsräumen beschränkt sich zumeist auf Wandplakate, das Ausstellen von Projekten oder einige wenige Zimmerpflanzen. Insgesamt wirkt das räumliche Konzept der Zimmer meistens „geschlossen“, was sich negativ auf die Lernmotivation von Schülern auswirken kann.
Da in Nachhilfekursen zumeist kleinere Lerngruppen betreut werden, ist es hier durchaus möglich, den sterilen Charakter eines Unterrichtsraumes aufzuheben. Die Frage ist jedoch, ob dies dann wirklich gemacht wird oder ob die Kurse in „verkleinerten Unterrichtsräumen“ stattfinden. Die zuvor beschriebenen Punkte lassen sich auch in Kursräumen von Nachhilfeinstituten wiederfinden.
Es existieren zahlreiche Möglichkeiten, Konzepte für Lernumgebungen offener zu gestalten. Aus Bankreihen werden einzelne Tische, die unbequemen Holzstühle werden durch Bürostühle ersetzt. Tischen kann eine neue Funktionalität zukommen – anstatt dem Schüler das Beschreiben des Tisches zu verbieten, wird er unter Bereitstellung der richtigen Materialien (z.B. Glastisch, Glasboardmarker) dazu animiert. Vielleicht können auch Raumvorstellungen an sich neu gedacht und der Nachhilfeunterricht während der Sommerzeit draußen gehalten werden Nachhilfeangebote haben die Möglichkeit, das Konzept des „institutionellen Lernens“ neu zu denken – warum sollten sie dies also nicht versuchen?
Fazit:
Worauf sollte ich achten?
Und wie viel sollte es kosten?
Nachhilfeunterricht sollte nicht als „weiterer Unterricht“, sondern als eine sinnvolle „Ergänzung“ verstanden werden. Als eine solche Ergänzung kann Nachhilfe in Nieschen vordringen, die durch den normalen Schulunterricht nur schwer umfangreich abzudecken sind. Diese Nieschen sind noch zahlreicher, als es hier kurz beschrieben wurde; Eine vollständige Betrachtung aller Möglichkeiten, die Nachhilfe bieten kann, wäre auch viel zu umfangreich.
Die hier betrachteten Aspekte ermöglichen es aber bereits, dass man sich selbst die folgenden Fragen stellt:
- Wie viele andere Schüler sind im Kurs und kann der Nachhilfelehrer sich überhaupt genug Zeit für meine Probleme nehmen?
- Wird im Nachhilfeunterricht mein aktuelles Leistungsniveau respektiert bzw. passt sich die Lehrkraft diesem an?
- Geht es nur um Notenverbesserung, oder bekomme ich regelmäßige Updates über den eigenen Leistungsstand, sodass ich lerne, mich an meinen eigenen Leistungen zu orientieren?
- Kann ich die Angst vor Misserfolgen ab- und eine Erfolgszuversicht zunehmend aufbauen?
- Erhalte ich die Chance, neue Lernumgebungen, die von den schulischen auch stark abweichen können, kennen zu lernen?
Nachhilfe kann dies alles bieten – allerdings zu einem dementsprechenden Preis. Ein finanzieller und organisatorischer Aufwand ist damit immer verbunden, sowohl für euch als auch für den Anbieter. Folglich ist es sehr wichtig, zu wissen, was ihr von Nachhilfeunterricht erwartet und welchen Wert ihr bei der Beantwortung der Fragen für euch festlegt!
Im Prinzip unterscheiden Nachhilfeangebote sich in dieser Hinsicht nicht von anderen Dienstleistungen: je mehr ihr dafür bezahlt, umso mehr wird euch geboten. Günstige Nachhilfeangebote schonen den Geldbeutel, müssen aber in der Qualität Abstriche machen. Gleichsam ist ein sehr gut organisierter und strukturierter Nachhilfeunterricht mit den dazugehörigen Kosten verbunden.
Unter dem Blickwinkel des Aufwandes – finanziell und organisatorisch – bieten die Fragen einen guten Orientierungsansatz auf dem Nachhilfemarkt. Bei einem Beratungsgespräch bzw. einer Probestunde ist es sinnvoll, auf diese Punkte zu achten und diese in Erfahrung zu bringen. Dies kann euch helfen, das richtige Nachhilfeangebot für euch zu finden!